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Sich einbringen dürfen

Samira steht auf der Wickelkommode und hängt an den Augen ihres Vaters, während dieser ihr beschreibend erklärt, was er gerade tut. Auch er hält den Blickkontakt und versucht dabei zu lesen, wie seine Worte bei ihr ankommen und was sie ihm sagen möchte. Offensichtlich genießen beide das Zusammensein und das liegt zu einem wichtigen Anteil daran, dass der Erwachsene ebenso wie das Kind  - für welches dies völlig natürlich und selbstverständlich ist - mit seiner Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt ist.

 

In der Pflegesituation laut denken

Von der ungarischen Kinderärztin und Kleinkindpädagogin Emmi Pikler stammt der Ratschlag, mit dem Säugling während der Pflege so zu reden, als würde man laut denken. „Schau, hier habe ich den Waschlappen. Damit wasche ich jetzt dein rechtes Bein, deine Zehen, … den Fuß, magst du das, ja?, … dein ganzes Bein… und jetzt kommt das andere dran.“

Diese Vorgehensweise des begleitenden Sprechens birgt mehrere besondere Qualitäten für die Entwicklung des Kindes und die Beziehung zwischen ihm und seiner Bezugsperson:

Durch das Beschreiben seines Tuns läuft der Erwachsene weniger leicht in Gefahr, in seinen Gedanken abzuschweifen, sodass das Kind seine möglichst ungeteilte Aufmerksamkeit erhält. Zudem hilft es dem Kind, die Geschehnisse besser nachvollziehen und daran teilhaben zu können. Dass dies der emotionalen Bindung des Kindes und seiner sprachlichen Entwicklung förderlich ist, sind weitere positive Effekte. Das Kind lernt unsere Worte zu verstehen, wenn wir diese begleitend mit Gesten und Gegenständen immer wieder in derselben Situation verwenden. Dadurch erleben beide, Kind und Erwachsener, das Kommunikation gelingen kann, lange bevor das Kind selbst spricht. All dies trägt wesentlich zu einer gelungenen Beziehung zwischen dem kleinen Kind und seiner Bezugsperson bei.

 

„Jetzt ziehe ich dir noch deine Socken an“, kündigt der Vater den letzten Schritt der Pflegesituation an. „Schau, hier habe ich sie!“ Samira greift nach den Socken, darf sie nehmen und setzt sich damit auf der Wickelkommode nieder. Sie weiß schon, wo der Socken hingehört: zum Fuß. Sie schafft es zwar noch nicht, den Socken alleine anzuziehen, aber sie will daran teilhaben und sich selbst einbringen. Der Vater achtet die Initiative seiner Tochter und nachdem er ihr eine Weile gewährt hat, damit herumzuprobieren, bietet er ihr an, mitzuhelfen und gemeinsam die Socken anzuziehen. Nicht das möglichst schnell erreichte Resultat, sondern das beziehungsvolle Miteinander steht dabei im Vordergrund.

Anbieten von Wahlmöglichkeiten

Eine weitere Einladung zur Kooperation besteht darin, dem Kind vom Säuglingsalter während der Pflegesituation Wahlmöglichkeiten anzubieten, die seine persönlichen Bedürfnisse betreffen. So zeigen wir ihm zum Beispiel zwei verschiedene Hosen und fragen, welche es angezogen haben möchte. Wenn es zwischen zwei Kleidungsstücken gleicher Sorte wählen darf, fühlt es sich geachtet und wertgeschätzt und ist gleichzeitig damit nicht überfordert. Vor dem offenen Schrank die Frage zu stellen, was es heute anziehen möchte, wäre jedoch für ein Baby und Kleinkind noch zu komplex.

 

Das Einbeziehen der kindlichen Eigeninitiative fördert ein gelingendes Kooperieren und freudvolles Miteinander. Das Kind erlebt sich selbst dadurch als ein kompetentes Wesen, das sich mit seinen momentanen Möglichkeiten einbringen kann und darf. Gleichzeitig erfährt es dadurch unsere Liebe und unseren Respekt.

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